Burnout vorbeugen Techniken – Teil 1 

Hier erfährst Du, wie Du vorgehen könntest, wenn Du Dich in der Beschreibung eines Konzeptes wiedererkannt hast. Da wir wissen, dass das mit der Selbsterkenntnis keine einfache Sache ist, wollen wir Dich in diesem Artikel einladen ein paar Tools zu nutzen, die Dir dabei helfen können. 

1. Gewohnheiten erkennen - Alleine ist es schwierig

Bei allen Gewohnheiten besteht das Grundproblem darin, eigene Marotten überhaupt entdecken zu können. Bei Fremden ist das noch relativ einfach. Bei Freunden wird es schon schwieriger. Bei Familienangehörigen ist es ausgesprochen anspruchsvoll. Am schwierigsten ist es aber bei uns selbst. 

Gewohnheiten sind so hoch automatisiert, dass sie sich in manchen Bereichen dem Bewusstsein entziehen. Klar gibt es eine Reihe von Gewohnheiten, die uns bewusst sind. So sagen wir schon mal im Gespräch mit Freunden: “Ich habe die Angewohnheit sehr schnell zu essen.” oder ähnliches. Auch viele weitere Gewohnheiten sind schon in unser Bewusstsein vorgedrungen. Sind wir mit Freunden längere Zeit zusammen, geraten uns deren anfänglich auffällige Gewohnheiten aus dem Blick. Wir haben uns daran gewöhnt.

Kommt eine neue Person hinzu, fällt ihr wiederum alles Mögliche auf, was Dir und Deinen Freunden schon längst aus dem Blick geraten ist.

Ein aktuelles Beispiel hat Bernd unlängst erlebt: Er fuhr mit dem Fahrrad vor einem Freund durch die Weinberge. Er fährt zum ersten Mal mit diesem Freund zusammen Fahrrad. Bei einem Halt fragte der Freund, ob Bernd etwas an der linken Schulter habe. Bernd: “Nö, was soll sein mit der Schulter?” Der Freund: “Du hast sie seltsam hochgezogen.”

Beim Weiterfahren hatte sich Bernd plötzlich an seine Aussage erinnert. Tatsächlich hat er realisiert, dass er die linke Schulter hochgezogen hatte. Das fühlte sich für ihn gar nicht verkehrt an, sondern eher bequem. Er konnte den Kopf an der Schulter anlehnen. Brachte er die Schulter in eine normale Haltung, fühlte sich das ziemlich ungewohnt an.

Er ist bestimmt schon jahrelang so gefahren und niemand hat ihm dazu eine Rückmeldung gegeben. Vermutlich hatten sich alle längst daran gewöhnt.

Als nächstes bieten wir Dir eine paar Übungen an. Probiere einfach aus, was am besten zu Dir und Deinem Anliegen passt.

Diese Übung bringt bisher unentdeckte Gewohnheiten zum Vorschein.

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2. Der fremde Blick - Gewohnheiten aufspüren

Dass Fremde Deine Gewohnheiten besser sehen als Dir nahestehende Menschen, haben wir oben schon ausgeführt. Jetzt kommt es aber darauf an, ein Verfahren zu entwickeln, wie Du das für Dich im Alltag nutzen kannst.

Bernd hat eine Idee, die er den “fremden Blick” nennt. Er hat sie im Rahmen von Lern-Begehungen für die Industrie entwickelt. In den Bereichen Arbeitssicherheit und Qualitätsmanagement hat sein Unternehmen (t&t Organisationsentwicklung) sogenannte Risiko-Lerngänge in Arbeitsumgebungen durchgeführt. Dabei ist ihm aufgefallen, dass Menschen, die in dem jeweiligen Arbeitsbereich fremd waren, genau jene Fragen stellten, die für die dort Beheimateten überraschend anders waren. So kamen eine ganze Reihe “blinder Flecken” (bisher Ungesehenes) zum Vorschein, die man alle dem “fremden Blick” verdankte. Fortan baute er den “fremden Blick” in Form einer weiteren Person in die Lerngruppe ein. Immer wieder konnten mit diesem Verfahren Sachverhalte aufgedeckt werden, die sonst den Gewohnheiten zum Opfer gefallen wären.

Wie kannst Du nun den fremden Blick für Dich persönlich nutzen?

  1. Identifiziere eine Situation, für die Du mehr Bewusstheit erlangen willst.
  2. Suche Dir einen Menschen aus, für den diese Situation fremd ist oder der Dich noch nicht in dieser Situation beobachtet hat.
  3. Bitte ihn auf alles zu achten, was ihm eigenartig, unvertraut, merkwürdig oder unverständlich erscheint.
  4. Hole Dir möglichst zeitnah die Rückmeldung zu seinen Beobachtungen. Kommentiere nichts. Stelle allenfalls Verständnisfragen.
  5. Registriere Rückmeldungen zu Beobachtungen, die Dir bisher nicht bewusst waren. Bewerte sie nicht. Denn sie können sowohl gut als auch veränderungswürdig sein.
  6. Überlege Dir eine Alternative zu Deiner Verhaltensgewohnheit, wenn Du etwas verändern willst.
  7. Teste, wie es Dir damit geht.
  8. Bleibe mit Deiner Aufmerksamkeit mindestens acht Wochen beim Training Deines neuen Verhaltens.

Lass Dich nicht verunsichern, wenn es anfänglich noch nicht so gut klappt. Bleibe mit der inneren Kommentierung im Selbstgespräch, fürsorglich und aufmunternd. Erfreue Dich an Deinen Fortschritten. Auch wenn sie klein erscheinen.

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3. Die Grenzerfahrung - Besonnenheit statt Vollgas

Diese Übung bringt Dich in Kontakt mit Deinen Grenzen.

Bevor wir uns mit dem Thema Grenzen beschäftigen, erst einmal eine persönliche Frage:

Wie sind Deine Gedanken und Gefühle, wenn das Stichwort Grenzen fällt?

  1. Grenzen sind Hindernisse. Sie müssen überwunden werden.
  2. Grenzen schützen. Sie halten Unwillkommenes ab.

Solltest Du zu der mehrheitlichen Gruppe von Menschen gehören, die Grenzen generell für Hindernisse halten, könnte es für Dich interessant sein, einmal die Perspektive zu wechseln.

Bernd selbst ist mit diesem Thema in Kontakt gekommen, als er zum ersten Mal einen saftigen Bußgeldbescheid bekommen hat, weil er eine rote Ampel überfahren hatte. Die zwei Polizisten, die an diesem Tag den Verkehr an der Ampel kontrollierten, behaupteten es jedenfalls. Und wenn er ehrlich ist, hatte er trotz Beschleunigung in der Gelbphase noch kurz die rote Ampel gesehen. Ein Hindernis und nichts wie rüber. 

Er hat dann mit Übungen in seiner Ausbildungsgruppe an diesem Thema gearbeitet. Er bemerkte, dass es mehrere ähnliche Situationen gab, wo er sinnbildlich Gas gegeben hat. Er hat Energie eingesetzt, um eine tatsächliche oder vermutete Grenze zu überwinden.

Nicht dass es grundsätzlich schlecht wäre, für das Überwinden von Grenzen Energie einzusetzen. Auf diese Weise stellen Menschen Rekorde auf. Es braucht aber einen realistischen Blick auf die Energieressourcen und das Risiko, das mit dem Überschreiten einer Grenze verbunden ist. Das Wort “Besonnenheit” beschreibt in unseren Augen ganz treffend die Balance zwischen eingesetzter Energie und erwartetem Gewinn.

4. Seine Grenzen erkunden - Einen Notausgang bauen

Menschen, die Burnout-gefährdet sind, neigen diesbezüglich zu einer Fehleinschätzung. Sie schieben die Grenzen ständig weiter hinaus. Ein immer größerer Energieaufwand wird notwendig, um das Level zu halten. Irgendwann stimmt die Relation nicht mehr. Der Energieaufwand ist unangemessen hoch. 

Um damit in Kontakt zu kommen, helfen folgende Fragen:

  • Wenn Du für die Aufgaben, für die Du im Moment Kraft einsetzt, die doppelte Energie aufbringen müsstest, wären dann Deine Grenzen erreicht?
  • Wie viel weniger als das Doppelte könntest Du einsetzen für Aufgaben? Oder liegst Du schon über der Grenze?
  • Woran würdest Du merken, dass Du Deine Grenze erreicht hast?
  • Wie könntest Du Deine Grenze anderen mitteilen und was könntest Du tun, um Dich selbst zu schützen?

Viele Menschen, die dazu neigen, über ihre Grenzen zu gehen, hegen eine unbewusste Hoffnung. Irgendjemand, der sehr mächtig ist, möge die Not, in der sie stecken, erkennen, einschreiten und sie außer Gefahr bringen. 

Dies ist eine Illusion. Du kannst es so weit treiben, bis Du zusammenbrichst. Lass es nicht soweit kommen. 

Um Dich zu schützen, kannst Du Dir einen Notausgang bauen: Definiere für Dich die Anzeichen für Deine Grenzen. Ab wann tritt eine Notfallsituation ein?

Mach das konkret: “Wenn ich in der Nacht aufwache und mehr als eine Stunde wach liege und dies mehrere Tage hintereinander”, oder “Wenn ich mehrmals in Folge aggressiv gegenüber meinen Kindern geworden bin”. 

Beschreibe exakt, an welchen beobachtbaren Zuständen der Notfall eintritt.

Registriere Deine Körperreaktionen wie Schweißausbruch, Herzrasen, Erschöpfung. Definiere exakt, wann Du den Notausgang benutzen willst. Wenn die Zeichen erreicht sind, versprich Dir selbst, dass Du ihn dann benutzen wirst.

Was Du dann konkret tust, wenn Du durch die Notfalltür gehst, bleibt natürlich ganz in Deiner Verantwortung. Bernd hat als Coach gute Erfahrungen damit gemacht, dass sich Klienten selbst verpflichten, zum Arzt zu gehen, um sich krankschreiben zu lassen. Das ist allemal besser, als einen Unfall zu bauen oder einen Infarkt zu erleiden. Auch war für die Klienten selbst und für ihre Arbeitsumgebung “krank sein” mehr erlaubt als “es nicht mehr zu schaffen”. Es stellte sich immer ein starkes Entlastungsgefühl ein, wenn sich Klienten die Erlaubnis gegeben haben, im Notfall diesen Weg beschreiten zu dürfen. Es ist ja dann tatsächlich ein Krankheitszustand erreicht, der ärztliche Begleitung braucht.

Übrigens: Nach Bernds Übungen in der Ausbildungsgruppe ist er zum Genussfahrer geworden. Jedes Mal, wenn er auf eine gelbe Ampel zufährt, bremst er genussvoll. Er hält an mit dem Gefühl “Mir kann keiner was, weil ich mich auf diese Weise selbst beschützen kann und vor Strafe sicher bin.”

Seither haben für Bernd Grenzen auch eine Schutzfunktion. Bildhaft denkt er an ein Camp mitten im Dschungel, das mit einer Palisade vor wilden Tieren geschützt ist.

Im zweiten Teil des Artikels wirst du noch Techniken kennen lernen.




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