Bindungsangst verstehen - wie sie auf deine Beziehungen wirkt und wie du sie überwindest
Jeder Mensch sehnt sich nach Nähe und Intimität. Bindungsangst ist ein verbreitetes Phänomen, welche den Sinn hat, andere auf Abstand zu halten. Denn kommen sie uns zu nah, bekommen wir es mit der Angst zu tun oder werden ungemütlich.
Ob du in einer festen Beziehung bist oder Single: In diesem Artikel lernst du Bindungsangst zu erkennen und zu überwinden. Du lernst zudem, wie du mit Bindungsängsten anderer umgehen kannst.
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1. Was ist Bindungsangst?
Menschen haben ein natürliches Grundbedürfnis nach Nähe und Bindung. Bleiben Menschen auf Distanz, zum Beispiel aus Angst verletzt zu werden, spricht man von Bindungsangst. Dies geht oft mit Angst vor Gefühlen wie Nähe, Intimität oder Selbstverpflichtung einher. Betroffene vermeiden abhängig von anderen Personen zu sein.
Beziehungen kommen jedoch immer mit der Entscheidung zu einer gewissen Abhängigkeit vom anderen. In einer Ehe kann diese Abhängigkeit durch die Entscheidung gemeinsam zu haushalten entstehen. In einer noch frischen Beziehungen ist man zum Beispiel emotional abhängig davon, dass sich der andere meldet und Zeit mit einem verbringt.
Bindungsängstliche leben oft nicht das volle Potenzial einer Beziehung. Solange sie sich nicht bedroht fühlen, läuft die Beziehung gut. Steht jedoch Nähe an, fangen sie zum Beispiel grundlos Streits an oder ziehen sich zurück.
In Meinungsverschiedenheiten bekommen sie schnell das Gefühl, dass ihr Partner unzufrieden ist und das Beziehungsende droht. Auch das kann dazu führen, dass sie sich vorsorglich emotional distanzieren.
Betroffene finden sich häufig in einem Nähe-Distanz Dilemma wieder: Sie wünschen sich Nähe und suchen daher den Kontakt zu anderen. Haben sie ihn dann gefunden, kommt die Angst davor. Sie gehen wieder auf Distanz. Dadurch bleibt ihr Wunsch nach Nähe unbefriedigt, was zu unguten Gefühlen führt.
Das Dilemma besteht also darin, dass sich Menschen mit Bindungsangst Nähe wünschen, mit ihr aber nicht umgehen können.
Bindungsangst kann jede Art von Beziehung betreffen. Also nicht nur die Beziehung zum Partner oder zur Partnerin, sondern auch die Beziehungen zu Eltern, Kollegen oder Freunden.
Es gibt 2 Typen von Bindungsstilen:
1. Der ängstliche/ambivalente Bindungstyp will Liebe, hat jedoch Angst verletzt zu werden. Daraus entsteht Unsicherheit, welche vom Umfeld oft wahrgenommen wird.
Dieser Typ geht Bindungen ein, doch kommt dort immer wieder mit seinen Ängsten in Kontakt, weswegen er sich dann distanziert oder sogar trennt. Tendenziell haben mehr Frauen diesen Bindungsstil.
2. Der vermeidende Bindungstyp kann selbstsicherer und stärker wirken, weil er sein Nähebedürfnis weggeschoben hat. Es verspürt vorerst keine Bindungsängste. Dieser Typ versucht Bindungen so gut es geht zu vermeiden und glaubt ohne sie besser dran zu sein. Tendenziell haben mehr Männer diesen Bindungsstil.
Die Dynamik der Bindungsstile
Ängstliche Bindungstypen suchen sich häufig eine Beziehung mit einem vermeidenden Menschen. So werden unbewusst Erfahrungen wiederholt und das eigene Weltbild bestätigt: "Ich wusste doch, dass ich wieder verlassen werde."
Menschen mit einem sicheren Bindungsstil suchen sich tendenziell Partner mit einem ebenfalls sicheren Bindungsstil.
Wie passiert das? Personen mit unsicherem Bindungsstil sind oftmals von der scheinbaren Unabhängigkeit von Menschen mit vermeidendem Bindungsstil fasziniert.
Für sie wirkt jemand mit einem sicheren Bindungsstil, der ehrliches Interesse zeigt, mitunter langweilig. Menschen mit unsicherem Bindungsstil suchen Beziehungen mit stärkeren emotionalen Ausschlägen. Sie haben tiefe Bindung durch übermäßige Stimulation ersetzt.
Männer und Frauen - Gibt es dort einen Unterschied?
Männer und Frauen sind gleichermaßen von Bindungsunsicherheit betroffen. Jedoch unterscheiden sie sich häufig darin, dass Frauen zum ängstlichen und Männer zum vermeidenden Bindungsstil neigen. Obwohl dies tendenziell der Fall ist, kann es auch umgekehrt sein. Es ist immer eine individuelle Betrachtung notwendig.
2. Bindungsangst überwinden
Menschen mit Bindungsängsten können lernen, diese zu überwinden. Hier bekommst du ein paar Anregungen, wie das gelingen kann.
Bindungsangst überwinden für Menschen mit ängstlich ambivalentem Bindungsstil
Wenn du einen ängstlich ambivalenten Bindungsstil in Beziehung zeigst, hast du Glück. Du hast bereits Zugang zu deinen Unsicherheiten. Mit denen müssen Menschen mit vermeidendem Bindungsstil erst noch in Kontakt kommen.
- Gestehe dir ein, dass du Bindungsängste hast.
- Hole dir Informationen von Mitmenschen, die sicher gebunden sind.
- Lasse dich coachen.
- Sprich offen über deine Gefühle.
- Suche dir einen Partner, dem du deine Gefühle mitteilen kannst und der dann nicht Reißaus nimmt.
- Sei wachsam für Dynamiken von Bindungsvermeidung. Hast du vielleicht ein Gegenüber mit vermeidendem Bindungsstil? Tauscht euch darüber aus.
- Lasse Nähe zu, spüre die Angst, verbleibe in der Situation und sammle neue Erfahrungen. Zum Beispiel, dass es nicht schlimmer wird.
- Lerne dich abzugrenzen. Zum Beispiel, indem du klar Nein sagst, wenn es dir zu viel wird.
- Bitte deinen Partner oder Partnerin um Geduld mit deinen Themen.
- Hole dir immer wieder Rückversicherungen von Menschen mit sicherem Bindungsstil.
- Bleibe geduldig mit dir!
Bindungsangst überwinden für Menschen mit vermeidendem Bindungsstil
Wenn du einen vermeidenden Bindungsstil zeigst, ist es zunächst wichtig mit deinem Bedürfnis nach Nähe in Kontakt zu kommen und es ernst zu nehmen.
Du kannst schauen, wie du an deine Ängste und Unsicherheiten heran kommst. Denn es nützt nichts, wenn du sie nicht spürst. Sie sind wichtige Hinweisgeber. Dann helfen die gleichen Tipps, wie beim ängstlichen Bindungsstil. Um in Kontakt zu kommen, kannst du das probieren:
- Lass dir von anderen Hinweise geben zu deinem Vermeidungsverhalten.
- Wenn du dich bei Vermeidungsverhalten beobachtest, stoppe es.
- Spüre nach, warum du Distanz suchst Reflektiere deine Themen, beispielsweise im Coaching.
- Sei wachsam für Dynamiken von Bindungsvermeidung. Hast du vielleicht ein Gegenüber mit ängstlich-ambivalentem Bindungsstil? Siehe auch Kapitel: Die Dynamik der Bindungsstile Tauscht euch darüber aus.
- Bleibe geduldig mit dir!
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3. Woher kommt die Angst?
Bei den meisten Menschen hat Bindungsangst ihren Ursprung in der Kindheit. Betroffene könnten von ihren Eltern zu wenig Zuwendung erhalten haben. Zum Beispiel, weil es keine körperliche Zuneigung gab.
Vielleicht wurde dem Kind auch vermittelt, das Gefühle ein Zeichen von Schwäche sind. Es hat gelernt, dass es den Wunsch nach Nähe und Zuwendung nicht direkt äußern darf und es diese auch nicht selbstverständlich bekommt.
In manchen Familien wird Zuneigung nur bei erbrachten Leistungen gezeigt. Das erzeugt bei Kinder mitunter große Angst. Bindungsängste entstehen.
Das Kind versucht sein natürliches Nähebedürfnis dann über Umwege zu erfüllen. Indem es vielleicht versucht, sich seine Zuwendung durch Leistung zu verdienen oder verhaltensauffällig wird. Dabei kommt das Prinzip zum tragen: Negative Aufmerksamkeit ist besser als keine Aufmerksamkeit.
Das fehlen von Zuneigung macht das Kind unglücklich und hinterlässt Spuren. Haben die Eltern zudem selbst bedürfnisferne Beziehungsmuster, lernt das Kind nicht, wie eine gute Beziehung funktionieren kann.
Im Erwachsenenalter wechseln Betroffene dann häufig die Seiten. Nun sind sie es, die Nähe von sich weisen. Sie haben das bedürfnisferne Beziehungsmuster ihrer Eltern kopiert und können ihrerseits Zuneigung nicht richtig annehmen oder geben.
Viele Menschen mit Bindungsängsten erzeugen dadurch Abstand, suchen nach Mängeln um Streits auszulösen, trennen sich plötzlich oder gehen erst gar keine Beziehungen ein.
Auslöser - Durch diese Dinge wird deine Angst hervorgerufen
Bindungsangst kann durch eine starke emotionale Verletzung oder wiederholte schlechte Erfahrungen hervorgerufen werden. Zum Beispiel durch Trennungserlebnisse.
Es können aber auch große Ereignisse sein, die mehr Verbindlichkeit bedeuten. Den berühmten nächsten Schritt: ein Zusammenzug oder eine Hochzeit beispielsweise.
Auch vermeintlich kleine Dinge können bei den Betroffenen Angst auslösen, wie Händchenhalten in der Öffentlichkeit, das Gestehen der Liebe oder das Treffen der Familie des anderen.
In diesen Momenten wird es zu viel: Vermeidende Bindungstypen verhalten sich dann unberechenbar oder provozieren einen Konflikt. Vielleicht beenden sie auch die Beziehung. Bei ängstlichen Bindungstypen kommt mitunter Angst bis Panik auf. Ihnen geht die Sache eventuelle zu schnell.
4. FAQ - Kurze Antworten auf die wichtigsten Fragen
Es kommt auf den Bindungsstil an. Hat man Bindungsangst fühlt man sich in Beziehungen ängstlich und unsicher. Es kann aber auch sein, dass man sich vom anderen genervt fühlt und lieber allein ist. Die eigentlichen Bindungsängste müssen mitunter nicht einmal ins Bewusstsein vorrücken.
Ja, Menschen mit Bindungsangst können lieben. Manchmal haben sie jedoch keinen Zugang zu ihren Gefühlen oder es fällt ihnen schwer ihre Gefühle zu zeigen. Es kann sein, dass sich das Gefühl bei ihnen eher als ein brauchen äußert.
Er kann versuchen seinem Partner Sicherheit zu vermitteln, indem er seine Zuneigung offen zeigt. Zugleich kann er seinem Partner Freiräume lassen und ihm zeigen, dass er ihn so akzeptiert wie er ist. Er kann versuchen mehr positive Momente zu schaffen und den Druck zu reduzieren.
Hilf deinem Partner oder deiner Partnerin, dich besser zu verstehen. Indem du offen über Bindungsängste sprichst und erklärst wie sie sich bei dir ausdrücken. Gib deinem Partner Ideen, was er machen kann: "Wenn ich Raum brauche, dann gib ihn mir. Es hat nichts mit dir zu tun..."
Angst vor Beziehungen entsteht bei den meisten Menschen in der Kindheit. Vielleicht hast du als Kind zu wenig Zuwendung erfahren oder deine Eltern hatten bedürfnisferne Beziehungsmuster. Sie haben sich also oft gestritten oder sich sogar getrennt.
So kann es kommen, dass du nun auch Angst hast, dass ein Streit gleich zum Ende deiner Beziehung führt und du dann wieder einsam bist oder dass du verletzt wirst.
Ja, du kannst deine Bindungsangst heilen, indem du an ihr arbeitest. Wenn du dir die Zeit nimmst, deinen Ängsten zu begegnen und Schritt für Schritt deine Unsicherheiten abbaust, kannst du deine Bindungsängste heilen. Mehr dazu findest du im Kapitel: Bindungsangst überwinden.
Bindungsangst ist in keinem Krankheitskatalog aufgeführt. Sie ist eher eine verzerrte Sicht auf Beziehungen und wie diese geführt werden.
Die Angst seinen Partner zu verliefen äußert sich darin, dass man ihn ständig kontaktiert oder permanent Angst vor einer Trennung hat. Auch der Irrglaube, dass man nie wieder jemanden findet.
5. Bindungsangst Symptome
Wir haben dir ein paar typische Kennzeichen von Bindungsängsten zusammengestellt. Davon können alle, ein paar oder manchmal auch nur eines zutreffen.
Der ängstliche Bindungstyp könnte folgende Symptome erleben:
- Gefühl von Einengung oder Beklemmung
- große Ängstlichkeit oder Unsicherheit in Beziehungsfragen
- Ambivalenz zwischen Beziehungswunsch und Unabhängigkeit
- keine langfristige Planung
- Unentschlossenheit bei wichtigen Fragen (z.B. zusammenziehen)
- Schwierigkeiten sich zu öffnen
- finden sich in oberflächlichen Beziehungen/Affären wieder, obwohl sie das eigentlich nicht wollen
- unsicher bei Zusagen
- großer Wunsch nach Nähe, wenn sich Partner distanziert
- Suche nach perfektem, unerreichbarem Partner
- Suchen sich unerreichbare Partnerschaften (bereits vergeben, kein Interesse, wohnt in anderem Land)
- plötzlichen Trennung
- Gefühl, keine Kontrolle in der Partnerschaft zu haben
Wenn du gerade mit deiner Angst konfrontiert bist, können körperliche Symptome hinzukommen, wie: Herzrasen, Schweißausbrüche, Beklemmungsgefühle, Schwindel, Anspannung oder sogar Panikattacken.
Beim vermeidenden Bindungstyp können sich diese Symptome zeigen:
- Heimlicher Wunsch nach aufgehoben sein (mitunter romantische Phantasien)
- schnell Wunsch nach räumlicher Distanz (findet auch Ausdruck in Fernbeziehungen)
- grundlose Vorwürfe, überkritisches Verhalten (um andere auf Abstand zu bringen)
- emotionaler Rückzug (kalt wirken)
- Vermeiden körperlicher Nähe
- Wunsch nach oberflächliche Beziehungen/Affären/One night stands
- geringes Verantwortungsgefühl gegenüber Partnerschaft
- Abfallende sexuelle Lust, sobald die Partnerschaft stabil zu sein scheint
- Schwierigkeiten sich zu öffnen
- Gefühl von Einengung oder Beklemmung
- plötzlichen Trennung
- Suche nach perfektem, unerreichbarem Partner
- Starkes Bedürfnis, die Kontrolle in der Partnerschaft zu haben (wenn nötig auch mit manipulativen Methoden)
Vermeidende Bindungstypen bekommen starke Sehnsucht und Angstgefühle, wenn sie die Situation in der Partnerschaft nicht mehr kontrollieren. Zum Beispiel, wenn wenn die andere Seite die Bindung auflösen will. Dann können ebenfalls körperliche Symptome auftauchen, wie: Herzrasen, Schweißausbrüche, Beklemmungsgefühle, Schwindel, Anspannung oder sogar Panikattacken.
6. Wenn der Partner Angst vor der Beziehung hat
In einer Beziehung mit einer Person mit Bindungsangst zu sein, kann Anstrengung bedeuten. Du kannst deinen Partner unterstützen, in dem zu ihm zeigst, dass du ihn akzeptierst. Du kannst ihm zeigen, dass du seine Ängste siehst und ihm oder ihr Rückversicherungen geben.
Versuche keinen Druck auszuüben, zeige Freiräume. Das wird eurer Beziehung helfen. Zum Beispiel: "Du hast alle Freiheiten, die du benötigst. Rede bitte jedoch mit mir darüber, damit ich das einschätzen kann."
Es ist wichtig, dass ihr miteinander über euer Verhalten sprecht und klärt, was es bedeutet. So vermeidet ihr Missverständnisse und Fehlinterpretationen.
Das arbeiten an der Bindungsangst erfordert Zeit. Es kann helfen, dass du dir selber jemanden suchst, mit dem du darüber reden kannst. Es besteht sonst die Möglichkeit, dass du dich verausgabst.
Ein Beziehungscoaching kann dabei helfen, dass ihr euch als Paar in eurem eigenen Tempo näher kommt.
Über den Autor: Steffen Raebricht
Gründer von TA+
Transaktionsanalyse-Trainer, Selbstständig, Universitäts-Dozent (UT-Dallas), Trainer, Coach, Autor, Imker