Haltung in der Transaktionsanalyse: „Das Weise am Weisen ist die Haltung“ Bertolt Brecht
Doch was verbirgt sich hinter dem Wort „Haltung“? Und was hat die Transaktionsanalyse damit zu tun? Haltung ist eine „Einstellung, die auf einer inneren Überzeugung beruht.“1 Sie beinhaltet Denken und Fühlen. Aus ihr entsteht ein bestimmtes „Wie“ des Handelns. Zwei Menschen können exakt der gleichen Tätigkeit nachgehen, Gärtnern beispielsweise. Doch was dem Einen einen Graus bereitet, ist des Anderen liebstes Hobby. Das ist meistens auch im Resultat zu erkennen.
Transaktionsanalyse – Die Struktur von Haltung
In Haltungen ist das Selbstverständnis und der Weltbezug von Menschen kristallisiert.1 Sie ist eine Ausrichtung, eine Fokussierung auf Annahmen über die Welt und die Menschen. Jedoch wird nicht nur ein Verhältnis nach außen getragen, sondern auch gleichzeitig immer ein Verhältnis zu uns selbst aufgezeigt. Diese beiden Pole stabilisieren sich durch gegenseitige Abhängigkeiten. Zudem steht eine Haltung niemals für sich. Sie ist in die Gemeinschaft/Gesellschaft eingelassen und damit abhängig „vom eigenen biografischen und gemeinschaftlichen Erfahrungs- und Zeithorizont“.2 Aus diesem Grund ist es auch häufig schwierig Haltungen zu ändern. 2 Habe ich von meiner Familie gelernt, dass ich mich stets leise verhalten soll, so werde ich mich neben meinem eigenen Verhalten auch am Lautsein anderer stören. Ich habe eine bestimmte Haltung zum Thema „Lautstärke“ entwickelt. Auf gesellschaftlicher Ebene kann die Akzeptanz von Alkohol als Beispiel dienen. Arabische Länder haben zu diesem Thema eine andere Haltung.
Haltung stellt etwas Abstraktes dar. Man kann die Haltung eines Menschen an ihrer Wirkung, am „Wie“ des Handelns, erkennen. Um diese erkennbar werden zu lassen benötigt man ein „Handlungssubjekt“, dass einen „Handlungsakt“ an einem „Handlungsobjekt“ vornimmt. 1 Diese drei Komponenten müssen gegeben sein, um Haltung „sichtbar“ werden zu lassen. Wenn ich (Handlungssubjekt) mich bei einem Freund (Handlungsobjekt) über Umweltverschmutzung aufrege (Handlungsakt), kann der Beobachter meine Haltung zu diesem Thema erkennen – nämlich dass ich Umweltverschmutzung nicht gut finde.
Haltungen drücken immer ein spezifisches Verhältnis zum Anderen, zum Selbst und zur Welt aus. Das kann mehr oder weniger ausdrücklich und mehr oder weniger reflektiert geschehen. 2 Dabei müssen wir uns immer auf etwas beziehen; wir können uns nicht nicht beziehen. 2 So thematisieren und kontextualisieren wir alles, was uns umgibt, als Vorraussetzung für unser Handeln. Haltung beschreibt die Position, die wir zu einer Sache einnehmen. Es gibt keine Haltung ohne Handeln und umgekehrt.3 Haltung bringt Handlung hervor. Eine HALTung geht immer ein VerHÄLTnis zu etwas ein, das sich im VerHALTen ausdrückt.
So wie beim Gärtner bietet es sich für den Therapeuten an eine entsprechende Haltung für die Therapie zu entwickeln. Der Unterschied liegt nicht in der Methode, sondern im „Wie“ des Prozesses mit dem Klienten. Bin ich eigentlich schon genervt, wenn der Klient den Raum betritt oder kann ich echtes Mitgefühl entwickeln? Die passende Haltung des Therapeuten ist ein wichtiges Instrument für den Erfolg der Therapie.
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Die Therapeutische Haltung
Eine therapeutische Haltung muss sich der Therapeut durch intensive Arbeit an sich selbst aneignen. Dies kann durch Therapie und ständig kritisches und gleichzeitig fürsorgliches Hinterfragen der eigenen Weltanschauung und Wertewelt geschehen. In der Arbeit mit Menschen geht es darum eine konstruktive und praktische Haltung zu entwickeln. Eine Haltung zu entwickeln bedeutet, seine eigenen Bezüge kritisch und der eigenen Person gegenüber wohlwollend zu reflektieren und falls nötig, diese auch zu ändern. Haltungsarbeit ist eine lebenslange Arbeit, die immer wieder aktualisiert und den gegenwärtigen Lebensumständen angepasst werden sollte. Die Umwelt und auch wir unterliegen einem ständigen Wandel, der auch als „Leben“ bezeichnet werden kann. Gesellschaftlicher Wandel, Altern, Geburten und Tod, Umzüge, technologischer Fortschritt und politische Veränderungen sind einigen Beispiele von Wandel. Man kann ihn nicht aufhalten, also muss er in das Lebenskonzept integriert werden. Mit diesem Wandel zu gehen kann als „Lebendigkeit“ beschrieben werden. Es geht darum lebenskluge Entscheidungen zu treffen. Sich nach einer gescheiterten Beziehung, aufgrund des Trennungsschmerzes nicht mehr fest binden zu wollen, ist das Gegenteil der Lebendigkeit. Sich hingegen den eigenen Beitrag zum Scheitern einzugestehen und daran zu arbeiten, dass man beim nächsten mal konstruktiver agiert, lässt auf eine Haltung schließen, die den Wandel integriert.
Haltung entsteht in der Art, wie man über ein Phänomen denkt. Ein Phänomen kann dabei ein Sachverhalt, ein Prozess, eine Person oder auch ein Gegenstand sein. Um die eigene Haltung zu ändern muss eine Änderung der Gedanken erfolgen. An dieser Stelle hat der Mensch die Möglichkeiten seine Haltung zu ändern. Wenn man ein Phänomen durch eine bewusste Neuentscheidung neu denkt, verändert es sich. Entscheide ich mich beispielsweise im Automatismus meines alten Streitmusters zu bleiben oder halte ich inne und entscheide mich auch die Position der anderen Seite zu verstehen? Dieser Prozess hat mit bewusst werden des eigenen Verhaltens zu tun, welcher eine Möglichkeit der wirksamen Veränderung der eigenen Haltung bietet.
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Haltung und die eigene Lebensgeschichte (Skript)
Im größeren Rahmen verändern wir mit einer Änderung unserer Haltung auch unsere Lebensgeschichte (In der Transaktionsanalyse bekannt als „Skript„). Entschließe ich mich bei Kritik an meiner Person diese anzuhören und darüber nachzusinnen, statt in den Gegenangriff zu gehen, dann bietet sich mir eine neue Chance. Ich habe die Möglichkeit mich persönlich weiterzuentwickeln statt meine Beziehung zum Kritiker durch Gegenangriffe zu strapazieren.
Die eigene Haltung zu Phänomenen erschließt sich häufig nicht sofort. Jedoch kennen wir meistens unsere persönlichen Baustellen. Doch bleibt häufig die Frage, durch welche Haltung die persönliche Autonomie vergrößert werden kann. Hier bieten die Grundannahmen von fortschrittlichen psychotherapeutischen Richtungen Anregungen zur Weiterentwicklung. In der Transaktionsanalyse gibt es die Grundannahme, dass grundsätzlich jeder Mensch die Fähigkeit zum Denken besitzt und somit seine Probleme lösen kann. Eine solche Grundannahme ist tendenziell zu betrachten. Eignet man sich eine solche Haltung an, so verändert sich der Umgang mit anderen Menschen, ebenso zu sich selbst. Ein Beispiel: Stefan empfindet es als Problem sich häufig mit seiner Frau zu streiten, was ihre Beziehung belastet. Durch eine Haltungsänderung im Sinne der eben besprochenen Einstellung ist er nicht mehr durch erlebte Machtlosigkeit gefangen. Er fängt an das Konfliktverhalten zu analysieren. An kritischen Stellen entscheidet er nun im Gespräch zu bleiben, statt die Diskussion durch Verlassen des Raumes abzubrechen. Zusätzlich hat er die Haltung etabliert sich Hilfe holen zu dürfen. Er bezieht seine Frau mit in den Reflektions- und Entwicklungsprozess ein. Zusätzlich holt er sich Hilfe bei einem Experten. Schon bald kann er konstruktiv streiten und erlebt Meinungsverschiedenheiten als bereichernd und kann sie zu Gunsten beider auflösen. Stefan hat durch seine Änderung seine persönliche Autonomie vergrößert. Er hat eine weitere Möglichkeit gefunden mit Konflikten umzugehen. Es lässt sich unschwer vermuten, dass die neu gewonnene Kompetenz seinen Lebensweg maßgeblich beeinflussen kann. Seine veränderte Haltung wirkt sich auch auf andere Lebensbereiche aus. Stefan ist Vorgesetzter von einigen Mitarbeitern. Durch seine Haltungsänderung überträgt er seinen Untergebenen mehr Verantwortung. Sie entscheiden selbstständiger, was Stefan zusätzlich entlastet.
Hilfreiche Haltungen können sein:
- Hinter jedem Verhalten steckt eine positive Absicht für den Ausführenden.
- Es gibt keine Fehler, sondern nur Konsequenzen des Verhaltens. Wenn etwas nicht so funktioniert, wie Du das willst, dann probiere etwas Anderes.
- Menschen treffen grundsätzlich die ihnen bestmögliche Wahl.
- Jeder Mensch hat die Fähigkeit zu denken und Probleme zu lösen.
- Jeder Mensch ist in seiner Ganzheit und mit seinen Schattierungen in Ordnung.
- Jeder Mensch ist in der Lage, Verantwortung für sein Leben und dessen Gestaltung zu übernehmen.
- Jeder Mensch wird als fähig angesehen, sein Lebenskonzept schöpferisch, zuträglich und konstruktiv zu gestalten.
Die Transaktionsanalyse legt sehr viel wert auf eine klare ethische Positionierung. Das macht sie in meinen Augen so wertvoll.
Literaturangaben:
- Kurbacher, F.A. (2006): Magazin für Theologie und Ästhetik 43/2006; URL: http://www.theomag.de/43/fk6.htm
- Kurbacher, F.A. (2008): „Was ist Haltung?“ Überlegungen zu einer Theorie von Haltung im Hinblick auf Interindividualität; URL: http://www.dgphil2008.de/fileadmin/download/Sektionsbeitraege/03-2_Kurbacher.pdf
- Elm, R. (1996): Klugheit und Erfahrung bei Aristoteles S.129ff
Über den Autor: Steffen Raebricht
Gründer von TA+
Transaktionsanalyse-Trainer, Selbstständig, Universitäts-Dozent (UT-Dallas), Trainer, Coach, Autor, Imker