Die Inneren Antreiber im Alltag 

Wir haben fünf Personen in einer Szene versammelt, die so ziemlich in “Reinkultur” fünf Typen repräsentieren, wie sie sich nach einem TA-Konzept verhalten könnten. Es ist bekannt unter dem Namen “Antreiber-Konzept” und stammt von dem Psychologen und Autor Taibi Kahler. Dieses Konzept spielt eine zentrale Rolle für die Burnout-Problematik, weil mit wachsenden Schwierigkeiten immer die Antreiber aktiviert werden und auf unheilvolle Weise Energie entzogen wird.

Innere Antreiber im Alltag



André ist Abteilungsleiter in einem Versicherungsunternehmen. Er schaut auf die Uhr: Noch 40 Minuten bis zum Start seines Meetings. Keines von der üblichen Art, keine Routine, kein „nett, dass wir mal wieder zusammen waren“. Heute sollen Entscheidungen getroffen werden. Weitreichende Entscheidungen. Er wird das Meeting leiten und er wird auch als Vorgesetzter die Hauptverantwortung tragen müssen, auch wenn alle an der Entscheidung beteiligt sein werden. Er spürt, dass die Anspannung dieses Mal über das gewohnte Maß hinausgeht. Sein Big Boss sitzt mit am Tisch und André weiß, dass er heute unter besonderer Beobachtung steht. Er kennt solche Situationen zwar schon aus der Vergangenheit, aber die Kolleginnen und Kollegen haben ihm bisher immer zurückgemeldet, dass er so eine coole Socke sei und dass man ihm die Anspannung in keiner Weise anmerken würde. Warum sollte das dieses Mal anders sein?

Antreiber im Büro

Lisa, eine seiner beiden Kolleginnen, ist schon da. Sie ist die gute Seele der Abteilung. Andrea Kramer würde sicher wieder auf den letzten Drücker oder zu spät kommen. Sie stopft sich selbst so mit Aufgaben voll, dass sie regelmäßig Termine nicht einhält. Peinlich, aber alle haben sich schon daran gewöhnt. Auch Herr Wegmann, der große Boss aus Hannover, kennt das von ihr und macht immer wieder seine Bemerkungen, wenn sie dann endlich abgehetzt erscheint. André darf Herrn Wegmann seit 3 Wochen Alexander nennen. Obwohl sie in der Firma eine ausgesprochene Duz-Kultur praktizieren, ist Herr Wegmann einer der wenigen, der auf ein Sie besteht und nur wenigen Auserwählten das Du anbietet. Er ist Perfektionist. Manche sind froh, dass sie nicht Du zu ihm sagen müssen. Irgendwie empfänden sie es als unpassend, diesen geschniegelten Perfektionisten so persönlich anzusprechen. André weiß selbst nicht so recht, wie er zu der Ehre gekommen ist, dass ihm Herr Wegmann das Du angeboten hat. Er fremdelt immer noch ein bisschen, wenn sie in einem Gespräch sind, und muss dabei aufpassen, dass er nicht wieder ins Sie wechselt.

Lisa sitzt lächelnd einer Kollegin gegenüber, die unablässig auf sie einredet. Sie nickt immer wieder zustimmend mit dem Kopf und hat schon mehrmals versucht, der Kollegin zu erklären, dass sie für das Meeting noch etwas vorbereiten muss. Aber Lisa kommt nicht zu Wort. Da kommt Lasse, der auch am Meeting teilnehmen wird, zu den beiden an den Schreibtisch und fragt mit sorgenvoller Stimme und bedrückter Miene, ob seine Frau schon angerufen hätte. Alle im Büro wissen aus seinen sorgenvollen Erzählungen: Eines der Kinder ist krank, seine Frau sucht dringend einen neuen Arbeitsplatz, der Älteste hat Probleme in der Schule, seine Kunden verlangen immer mehr Service. Jetzt soll er auch noch ein weiteres Arbeitsgebiet übernehmen. Keiner der Kollegen rechnet aber damit, dass es Lasse irgendwann gelassener angehen wird. Sie kennen sein mit Sorgen beladenes Jammern schließlich schon seit Jahren und sehen auch mal über seine Fehler und Unzulänglichkeiten hinweg, „weil er es ja so schwer hat“.

Fünf Minuten vor Beginn des Meetings: Herr Wegmann trifft ein. Korrekt sitzender Anzug, passende, gut sitzende Krawatte, brauner Teint, gepflegte Hände, gescheitelte Frisur. „Fünf Minuten vor der Zeit ist des Lehrers Pünktlichkeit“, und ohne sich unterbrechen zu lassen, erklärt er: „Ich bin zwar kein Lehrer, aber auch Juristen steht dieser Spruch gut zu Gesicht. Wenn sich nur alle daran halten würden, wäre das Arbeitsleben ein bisschen leichter. Aber heutzutage ist eine gute Kinderstube keine Selbstverständlichkeit mehr.“ Etwas förmlich und steif reicht er André die Hand zur Begrüßung: „Hallo André, schön, mal wieder hier zu sein. Ist denn der Beamer schon einsatzbereit?“ André, dem siedend heiß einfällt, dass der Beamer ein defektes Kabel hat, lässt sich nichts anmerken: „Wir werden das Kind schon schaukeln.“

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Als sie gemeinsam den Meetingraum betreten, sitzen Lasse und Lisa schon an dem viel zu großen Tisch. Sie wirken etwas verloren. Sie sitzen sich an der Längsseite des Tisches schräg gegenüber. Lisa lächelt, mit zwei tiefen Sorgenfalten auf der Stirn schaut Lasse die Herankommenden stumm an.

Herr Wegmann setzt sich auf seinen „angestammten“ Platz am Tischende, mindestens zwei Meter von den schon Sitzenden entfernt. André nimmt sich den Stuhl rechts von Herrn Wegmann und richtet seine Unterlagen. Insgeheim hofft er, dass das Kabel des Beamers ausgetauscht wurde, so wie er es dem IT-Mann aufgetragen hatte. Nach außen ist er die Ruhe selbst, aber nach innen fröstelt es ihn ein wenig, was er sich nicht erklären kann. 

Herr Wegmann schaut auf seine Uhr: „Auch wenn Frau Kramer noch nicht da ist, es ist jetzt drei Minuten nach der Zeit. Wir sollten anfangen.“ André, der die Agenda erstellt hat und diese jetzt auf die Projektionswand holen will, drückt die Powertaste der Fernbedienung des Beamers - nichts passiert. „Angehen müsste er doch wenigstens, selbst wenn das Übertragungskabel immer noch defekt ist“, denkt er. Sagen tut er: „Okay, es scheint, wir haben ein Problem.“ Sein Atem wird flach, aber das merkt er nicht. Er merkt lediglich, wie sein Frösteln zunimmt. Da schwingt die Tür auf und Andrea platzt herein. In jeder Hand eine Tasche und eine Mappe unter den linken Arm geklemmt, so stürmt sie auf den Platz links neben Lasse zu. Geräuschvoll stellt sie ihr Zeug ab und beginnt sofort aufzuzählen, was ihr in der letzten halben Stunde alles an unvorhergesehenen Dingen dazwischengekommen ist. Um die Zeit bis zum Beginn des Meetings gut zu nutzen, habe sie sich vorgenommen, noch drei kleine Erledigungen in der Stadt zu tätigen, aber man glaubt es kaum, wie langsam die Leute in den Geschäften und bei der Post ihre Arbeit verrichten. Unglaublich träge wären die Bediensteten und die Kunden. „Kann ich noch schnell mein Laptopkabel holen?“ fragt sie in die Runde. Und bevor Herr Wegmann, dessen Kopf ein wenig rot angelaufen ist, Luft holen kann, steht sie auf und stürmt aus dem Raum.

André, dankbar für die Unterbrechung, fragt Lasse, ob dieser wisse, wo neue Batterien für die Fernbedienung seien. Lasse antwortet: „Da muss ich mal scharf nachdenken. Im Büro können kaum welche sein. Im Abstellraum wahrscheinlich auch nicht. Vielleicht in der Küche in einer Schublade? Oder doch eher beim Empfang?“ Man sieht ihm an, wie angestrengt er alle Möglichkeiten durchdenkt, aber es will ihm keine Lösung einfallen. Da steht Lisa auf und sagt lächelnd zu André: „Ich schau mal nach. Ich komme gleich wieder und dann kann es weitergehen.“

„Wir können ja schon mal ohne den Beamer mit dem ersten Tagesordnungspunkt beginnen“, sagt André mit monotoner Stimme zu den Verbliebenen. Sein Mund ist trocken. Er müsste dringend etwas trinken, aber er stellt niedergeschmettert fest, dass selbst der übliche Service an Getränken und Gläsern nicht gerichtet ist. „Und zu trinken gibt es auch nichts. Da werden wir wohl eine Trockenperiode zu überstehen haben.“ Er wundert sich etwas über sich selbst, dass ihm trotz der Peinlichkeiten eine so witzige Formulierung eingefallen ist. Na, er hat ja auch schon andere Kämpfe durchgestanden. 

Herr Wegmann, der das alles gar nicht witzig findet, merkt an, dass sein Taxi ihn in 90 Minuten abholen wird und dass er es für unangemessen hält, die vielen schwierigen Fragen in der verbleibenden Zeit durchzupeitschen. 

Lisa betritt wieder den Raum, mit einer Flasche Wasser und drei Gläsern in den Händen. „Es tut mir sehr leid, ich habe keine Batterien gefunden. Aber wenigstens konnte ich noch etwas zu trinken organisieren, weil mir aufgefallen ist, dass ja nichts gerichtet war.“ „Drei Gläser und fünf Leute, das geht wohl nicht wirklich auf! Und wenn Frau Kramer jetzt nicht sofort kommt, dann fahre ich und treffe die Entscheidungen allein!“, fährt Herr Wegmann dazwischen. 

„Nur keine Aufregung“, will André beschwichtigen, doch Herr Wegmann geht ihn nun persönlich an: „Als Teamleiter sollten Sie für einen ordentlichen Ablauf sorgen können! Ein bisschen mehr Aufregung Ihrerseits wäre auch eher passend als unpassend!“ André friert jetzt regelrecht. „Verdammt, warum ist der Raum so kalt“, denkt er, während Herr Wegmann seine Krawatte zurechtrückt. Und warum hat Herr Wegmann ihn plötzlich wieder mit „Sie“ angeredet?

Andrea kommt zur Tür herein, geht auf Lasse zu und flüstert ihm etwas ins Ohr. André wird ärgerlich und seine sonst so monotone Stimme klingt etwas härter. „Kannst Du das lassen und können wir jetzt endlich anfangen!“, worauf Lasse aufsteht und mit noch bedrückterer Miene als sonst verkündet, dass er seine Frau zurückrufen müsse, er wisse jetzt gar nicht, was er machen solle. Gequält vor sich hin plaudernd verlässt er den Raum. Andrea erklärt, dass sie noch zwei kurze Telefonate geführt habe, die aber wichtig gewesen wären, und sie könnten nun direkt anfangen, sie müsse nur noch schnell ihren Laptop hochfahren. 

Entnervt erhebt sich André nun und sagt zu Lisa: „Du rufst beim Taxiunternehmen an und bestellst das Taxi eine Stunde später. Besorg noch ein paar Gläser und etwas Ordentliches zu trinken. Ich schaue nach den Batterien.“ Lisa nickt beflissen: „Klar, mach ich doch gerne.“ Und André spricht weiter an alle gerichtet: „In dreißig Minuten machen wir hier weiter, und zwar ohne Unterbrechungen.“ Herr Wegmann will Luft holen, aber da hat André den Raum schon verlassen. Ein wenig zittern ihm die Knie, was er sich aber in keiner Weise erklären kann. Da hat er doch schon ganz andere Situationen durchgestanden.

Wenn du einmal mehr über deine eigenen Antreiber erfahren möchtest, kannst du hier einen Test machen.

AUSBLICK
Zugegeben: Die Szene ist etwas holzschnittartig gezeichnet, aber durchaus realistisch. Wir haben alle fünf Antreiber-Typen gemeinsam auftreten lassen, um zu veranschaulichen, wie ihre spezifischen Beiträge in einer schwierigen Situation aussehen könnten. Sie verbrauchen mehr Energie als notwendig und merken es noch nicht einmal. Offensichtlich ist nur, dass die eingesetzte Energie nutzlos ist.  Hier kannst du noch mehr über die Antreiber lernen. 

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