Wie du deine Gefühle besser wahrnehmen, akzeptieren und auflösen kannst 

Gefühle soll man nicht ablehnen. Das liest du in jeder x-beliebigen Zeitschrift. Was die Zeitungen bloß nie verraten, ist, wie das genau geht. Hier bekommst du eine Antwort. 

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1. „Das schwarze Loch" (Fallstudie)


Eine Klientin von Steffen hatte ein übermäßig ausgeprägtes Pflichtgefühl. Sie traute sich nicht, sich ihrer Mutter zu widersetzen. Rief ihre Mutter an und beschwerte sich darüber, dass sie nicht genügend Hilfe bekam, spürte die Klientin sofort Scham. Also ein Gefühl von „Ich bin nicht okay“.

Als Steffen dann nachfragte, wo das Gefühl in ihrem Körper sei und was es dort mache, antwortete sie: „Es fühlt sich an wie ein schwarzes Loch in meinem Bauch.“

Wenn du an ein großes schwarzes Loch denkst, kommt da in dir auch sofort ein ablehnendes Gefühl auf? Keiner will ein schwarzes Loch haben. Schon gar nicht in seinem Bauch. Was, wenn das Loch größer wird? Schluckt es uns dann?

Was unsere Gefühle erst schlimm werden lässt, ist die Verschmelzung mit unseren Gedanken. Das Bildhafte ist nämlich streng genommen gar kein exaktes Gefühl. Das schwarze Loch, der Kloß im Hals usw. sind in Wahrheit Gedanken. Es sind Gedanken über das Gefühl. Erst diese Gedanken bewirken, dass wir das, was wir da fühlen, als schlimm empfinden, ohne es genau benennen zu können.

Die meisten Menschen haben eine gewohnheitsmäßige Verschmelzung zwischen Gefühlen und Gedanken. Bei ihnen sind Gedanken und Gefühle miteinander verklebt. Sie können sie nicht auseinanderhalten.

Das schwarze Loch ist ein Gedanke. Das kannst du daran erkennen, dass ein konkretes Bild erzeugt wird oder dein Denker dir das Wort „schwarzes Loch“ in den Sinn gibt.

Gedanken bestehen immer aus Bildern oder aus Sprache. Wenn kein Bild auftaucht oder dein innerer Sprecher nichts vor sich hin säuselt, hast du keinen Gedanken.

Wenn wir vom schwarzen Loch, von der Beklemmung, vom Kloß im Hals oder der Last auf unseren Schultern sprechen, dann sind das Gefühle, die keiner haben will. Auf Psycho-logisch gesprochen, machst du damit deine Gefühle schlecht. Indem du deine Gefühle mit schlimmen Bildern verknüpfst, entsteht ein unangenehmes und immer stärker werdendes Wechselspiel, ein Gefühls-GedankenPing-Pong. 

Dieses innere Tischtennis kann sich bis zur Panikattacke hochschaukeln und damit zur völligen Handlungsunfähigkeit. Nein, danke! Wir brauchen mehr Präzision, um besser mit unseren Gefühlen umgehen zu können. Ein Gefühls-Mikroskop sozusagen.

Steffen bat seine Klientin, doch noch einmal genauer hinzuspüren, was sich denn da tatsächlich in ihrem Bauch abspielte:

  • „Woraus besteht das schwarze Loch?“
  • „Was geschieht genau, dass du glaubst, dass da ein schwarzes Loch sei?“

Sie spürte hin. Es dauerte ein paar Momente. So genau hatte sie ihre Gefühle ja noch nie mikroskopiert. Dann kam die Antwort: „Es ist ein Ziehen.“

Steffen fragte weiter: „Und wohin geht dieses Ziehen? Nach oben, unten, links, rechts, nach außen oder nach innen?“

„Es geht nach oben, Richtung Solarplexus.“ 

Steffen fragte noch einmal nach: „Dein schwarzes Loch besteht also aus einem Ziehen vom oberen Bauch bis zum Solarplexus?“

Die Klientin bestätigte und musste auf einmal etwas schmunzeln. Ihr wurde bewusst: Es war nur ein Ziehen, was sie durch die Verschmelzung mit ihren Gedanken als schwarzes Loch interpretiert hatte. Sie konnte ihr Gefühl zum ersten Mal ganz deutlich wahrnehmen – eben als ein Ziehen. Gedanke und Gefühl waren entklebt. Sie hatte während des Spürens vollen Zugriff auf ihre Denkfähigkeit und war nicht in ihrem Pflichtgefühls-Film gefangen. 

Steffens Klientin spürte ungefähr zehn Minuten hin. Sie beobachtete das Ziehen, als ob sie Fische in einem Aquarium beobachten würde. Sie konzentrierte sich dabei immer wieder neu auf das exakte Ziehen. Das tat sie vor allem auch dann, wenn abschweifende Gedanken auftauchten. Die kommen mitunter innerhalb von Sekunden. 

Ja, das Abschweifen kommt schnell. Doch sobald sie merkte, dass sie an etwas anderes dachte, fokussierte sie sich wieder neu aufs Hinspüren. Dabei stellte sie fest, dass das Zieh-Gefühl gar nicht schlimm, sondern nur unangenehm war. Anfangs schien sich das Ziehen nicht zu verändern.

Doch dann wurde es intensiver. Die Klientin wurde nervös. Steffen beruhigte sie und gab ihr zu verstehen, dass das völlig normal sei. Also spürte sie weiter nach. Nach einiger Zeit fluffte das Gefühl in den Rippenbogen. Es veränderte seine Form. Je länger sie sich auf das Gefühl konzentrierte, desto klarer wurde ihr: Das Gefühl war nicht einmal unangenehm.  

Es existierte einfach. Eine Bewertung war gar nicht mehr nötig. Die Klientin saß ruhig, hatte den Blick gesenkt und spürte. Irgendwann sagte sie zu Steffen: „Jetzt habe ich einen Kloß im Hals.“

Steffen fragte nach: „Also ist das Ziehen im Bauch völlig verschwunden? Ist der Kloß im Hals: etwas Neues?“

Die Klientin spürte hin. „Ja, das ist etwas Neues. Ein neues Gefühl. Mir wird gerade klar, dass unter meinem Pflichtgefühl eine Angst steckt. Und die sitzt im Hals.“

Das Ziehen (vergedanklicht: Pflichtgefühl) hatte sich durch genaue Beobachtung nach circa zehn Minuten völlig aufgelöst. Allein dadurch, dass die Klientin es geortet und neutral erspürt hatte. Darunter verbarg sich in diesem Fall noch ein weiteres Gefühl. Eine Angst. Die Angst nämlich, dass ihre Mutter nichts mehr mit ihr zu tun haben wollte, wenn sie nicht tat, wie ihr geheißen.

Diesen Kloß im Hals, der in Wirklichkeit nur ein Druck in Richtung Halsmitte war, kann man dann auch erspüren. Genauso wie das Ziehen im Bauch. Auf diese Weise lösen sich die Gefühle auf. Am Ende dieser Arbeit steht eine innere Ruhe. Man ist an einem gefühlsmäßig neutralen Punkt angelangt. Emotionale Freiheit. Das verändert die Sichtweise auf das Thema.

Die Klientin sagte: „Ich werde helfen, wenn es für mich passt. Wenn meine Mutter deswegen den Kontakt abbricht, dann kann ich das nicht ändern.“ Sie wirkte gelassen, jedoch nicht gleichgültig. Sie traute sich jetzt, ihr eigenes Ding zu machen.

Verschwindet das unbequeme Gefühl, können wir eine gelassene Haltung entwickeln. Wir verändern nicht die Situation sondern lediglich unser Gefühl. Wenn sich Gefühle auflösen, bleibt die eigentliche Ursache bestehen. Zum Beispiel das mögliche Scheitern deiner Mutprobe. Durch die Gefühlsarbeit erlangen wir jedoch eine akzeptierende Haltung gegenüber dem Sachverhalt. Wir verarbeiten ihn und können deswegen viel besser mit ihm umgehen.  Wir empfehlen dir unser Buch, wenn du mehr darüber wissen möchtest...



2. Gefühle akzeptieren und auflösen in 3 Schritten


Jetzt zeigen wir dir, wie du deine Gefühle erspüren kannst. Das ist mitunter gar nicht so einfach, weil viele von uns durch unsere Erziehung nicht über die GefühlsGrundschule hinausgekommen sind. Wie auch? Zum Beispiel hält sich der weit verbreitete Glaube, dass unsere unangenehmen Gefühle etwas Schlimmes bedeuten. Das ist ein Grund dafür, dass einige nichts mit ihren Gefühlen zu tun haben wollen. In der Gefühlsschule wäre das eine glatte 6!

Es stimmt einfach nicht. Das Gegenteil ist der Fall: Deine Gefühle weisen dich auf Missstände hin. Du sollst mit ihrer Hilfe Erfahrungen verarbeiten. Die wenigsten haben sich jemals bewusst mit ihrem Gefühlsleben auseinandergesetzt. Es existiert die stillschweigende Annahme, dass sich unser Gefühlsleben schon ganz von allein in die richtige Richtung entwickeln wird. Das ist jedoch selten der Fall. Unsere Eltern können auch nichts dafür, denn sie sind oftmals ebenso Gefühls-Grundschüler geblieben. Sie hatten noch viel weniger Zugang zu psychologischem Wissen als wir heute.

Um weiterzukommen und dein Gefühls-Abitur anzutreten, braucht es Übung. Dadurch reift deine Gefühlswelt nach. Tatsächlich sind unsere Gefühle lediglich wahrnehmbare Bewegungen in unserem Körper. Gefühlsregungen können sich z.B. als Drücken, Ziehen, Wandern oder Drehen äußern und in ihrer Anmutung und Intensität als stark/schwach oder angenehm/unangenehm empfunden werden. Zum Beispiel ein Drehen in der Bauchgegend. Oder ein Drücken in der Brust. Oder ein Kribbeln in den Händen. 

Wenn du ängstlich bist und dich dann bewusst auf das Spüren der tatsächlichen Bewegung in deinem Körper fokussierst, verliert sie ihren Schrecken. Für das Erspüren von Gefühlen empfehlen wir dir, einen ruhigen Ort zu wählen. 

Schritt 1: Eingestehen

Ziehe dich an einen Ort zurück, wo du fünf bis zehn Minuten ungestört sein kannst. Rufe dir die unangenehme Situation vor dein inneres Auge, sodass du in Kontakt mit deinem Gefühl kommst. Gestehe dir deine unangenehmen Gefühle ein! Sieh hin. Sage zu dir selbst:

„Ja, ich habe Angst, meinem Partner zu sagen, dass er Mundgeruch hat. Ich möchte ihn nicht kränken und riskieren, dass er sich von mir zurückzieht.“

 

Schritt 2: Das Gefühl finden

Hast du dir deine Angst oder ein anderes unangenehmes Gefühl eingestanden, kommt ein nächster wichtiger Schritt, den die meisten Menschen erfolgreich verlernt haben: Hinzuspüren. Dorthin, wo es unangenehm ist.

Wo genau sitzt das Gefühl in deinem Körper? 

Du kannst dir sicher sein, dass sich irgendwo ein Gefühl in dir befindet, sobald du dich in irgendeiner Weise schlechter als „neutral“ fühlst. Suche danach, indem du geduldig abwartest und hinfühlst, wo sich in deinem Körper etwas regt. Falls du es nicht sofort findest, probiere einfach mal das Gegenteil aus und spüre, wo das Gefühl NICHT zu spüren ist:

„Ist es im großen Zeh?“ „Nein.“ „Ist es in der Hand?“ „Nö.“ Meistens reicht es aus, zwei Orte zu finden, an denen sich das Gefühl nicht äußert, um es dann an einer anderen Stelle besser zu lokalisieren. Übrigens: Die meisten Gefühle sitzen im Bauch, in der Brust, im Hals und im Kopf.

 

Schritt 3: Genau Hinspüren

Sobald du erspürt hast, wo das Gefühl in deinem Körper sitzt, geht es darum, hinzufühlen, was genau dort passiert. Zieht es? Drückt es? Pulsiert es? In welche Richtung bewegt es sich? Nach innen oder nach außen? Nach oben oder nach unten? Nach links oder nach rechts?

Das Gefühl hat meistens eine Form. Spüre dessen Außenseite nach. Jetzt kommt es darauf an, das Gefühl so genau wie möglich zu mikroskopieren und zu bespüren. Nimm alles wahr, was passiert. Beobachte deine Gefühle so genau wie Fische in einem Aquarium. Sobald du durch Gedanken abgelenkt wirst, kehre zum Spüren zurück.


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 3. Gefühls-Beobachtung: 7 Tipps


Wichtige Hinweise für den Prozess des Hinspürens:

  1. Anfangs wird es häufiger passieren, dass dir während des Fühlens deine Gedanken dazwischenfunken. Das ist völlig normal. Zu lange haben wir schon die Gewohnheit, dass Gedanken und Gefühle verklebt sind.
    Deswegen fallen wir schnell zurück in dieses alte Muster. Doch je öfter Gefühle und Gedanken entkoppelt werden, desto mehr löst sich die alte Gewohnheit auf und du kannst länger das Gefühl in seiner Reinheit beobachten. Falls sich Gedanken einschalten, richte deine Aufmerksamkeit wieder aufs Spüren.

  2. Gefühle sind von ihrer Natur so angelegt, dass sie schnell und flüchtig sind. Wenn sich ein Gefühl über einen langen Zeitraum hält, dann wird es nicht neutral gespürt (> nächster Punkt). Das ist dann ein Hinweis auf eine Verklebung mit Gedanken.

  3. Neutral spüren: Es müssen Bewegungs- oder Kraftbeschreibungen sein, um das Gefühl zu erspüren. Ein Ziehen, ein Drücken, ein Pulsieren, ein Kribbeln. Das ist anfangs gar nicht so einfach.  
    Oftmals sagen Klienten, dass es sich so anfühlt, als ob gleich etwas Schlimmes passiert. „Etwas Schlimmes“ ist kein Ausdruck von Gefühlen, sondern von Gedanken. Wenn es dir den Hals „zuschnürt“, ist das eine Bewertung. Genauso „feurig“, „winden“, „kalter Schauer“ oder wenn etwas „im Nacken“ sitzt. Sobald dir das passiert, spüre noch einmal genau nach, bis du die Bewegung oder Kraft klar benennen kannst. Du löst dann vermutlich ein ziemlich altes Muster auf. Gib dir Zeit zum Üben und Experimentieren.

  4. Es kann durchaus sein, dass deine Gefühle auch erst einmal stärker werden, wenn du anfängst, sie zu spüren. Sie treten dann in ihrem vollen Ausmaß in Erscheinung. Psychotherapeuten nennen dieses Phänomen Erstverschlimmerung. Falls dir deine Gefühle zu heftig werden sollten, kannst du das Bespüren jederzeit unterbrechen und einfach später fortsetzen. Du kannst in Etappen spüren. Jedes Spüren mit mikroskopischer Qualität wird dein Gefühlsleben weiterentwickeln. Auch wenn du die Fortschritte vielleicht noch gar nicht wahrnimmst. Sollten deine unbequemen Gefühle so stark sein, dass du dich ihnen allein nicht stellen kannst, dann sei so mutig und suche dir bitte professionelle Unterstützung. Du kannst dich beispielsweise von Steffen coachen lassen.
     
  5. Manchmal wandert dein Gefühl beim Spüren in deinem Körper umher. Es verschiebt sich. Das ist völlig normal. Gehe mit allem mit, was es macht. Beobachte das Gefühl wie einen Fisch im Aquarium.

  6. Wenn du deine Gefühle beobachtest, brauchst du dich zunächst nicht um deren Ursache zu kümmern. Denn durch die Beobachtung verändert sich deine Haltung gegenüber der Ursache ganz automatisch. Wenn du vorher Prüfungsangst hattest, wirst du gelassen bleiben. Du wirst deine Chancen realistischer einschätzen und dich nicht mehr verrückt machen. Das hat nichts mit Gleichgültigkeit zu tun.

  7. Sobald wir fühlen, dehnt sich unser Zeitempfinden extrem aus. Eine Minute kommt uns wie eine gefühlte Ewigkeit vor. Das setzt viele Menschen unter Zeitdruck. Gib dir mehr Zeit zum Hinfühlen. Stell dir deinen Handytimer auf drei Minuten, dann brauchst du nicht über die Zeit nachzudenken.


4. Fazit: Deine unangenehmen Gefühle

  • Wenn du Scham empfindest, dann kannst du sicher sein, dass du dich im Wachstumsmodus befindest. Halte sie aus, so gut es geht, und setze um, was du dir vorgenommen hast. Die Stärke liegt darin, dass du etwas wagst. Egal, wie es aussieht.
  • Durch Training kannst du dir viele Fähigkeiten und Eigenschaften aneignen, die du dir wünschst. Auch wenn es sich anfangs vielleicht noch wie „Das bin nicht ich“ anfühlt.
  • Du bist nicht verantwortlich für deine Gedanken, sondern nur für das, was du aus ihnen machst. Glaube nicht alles, was dir in den Sinn kommt.
  • Unsere unangenehmen Gefühle sind lediglich Bewegungen oder Kräfte in unserem Körper wie Drehen, Drücken, Ziehen oder Kribbeln. Sie werden erst schlimm, wenn du sie mit negativen Gedanken verknüpfst.
  • Schließe Frieden mit deinen Mulm Gefühlen, indem du sie spürst.
  • Mehr Informationen und Tipps findest du in unserem Buch...

Mutig dein Leben meistern

Ängste überwinden und Herausfordungen meistern mit einem Mut-Mindset

Über den Autor: Steffen Raebricht 

Gründer von TA+

Transaktionsanalyse-Trainer, Selbstständig, Universitäts-Dozent (UT-Dallas), Trainer, Coach, Autor, Imker

Hier erfährst du mehr über Steffen

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