Vision Quest Erfahrungsbericht: Sicherheit im Umgang mit anderen erlangen

Alle paar Jahre begebe ich mich auf eine Visionssuche, um mehr Klarheit in einer Lebensfrage für mich zu erlangen.

Diesmal hieß meine Frage:  „Wie erlange ich mehr soziale Grundsicherheit?“

Doch was ist damit gemeint? Ich habe bemerkt, dass ich im Umgang mit anderen Menschen oftmals Unsicherheiten verspüre. Beispielsweise in Situationen, wo ich von anderen kritisiert werden könnte oder aber auch, wenn ich jemanden neu kennenlerne: Lasse ich einer solchen Person im Restaurant den besseren Platz oder nehme ich ihn?

Haben zwar viele, ist mir egal

Ein Thema wie dieses, haben viele Menschen. Das ist für mich jedoch kein Grund, dass ich es behalten muss. Deswegen setze ich mich mit meiner Frage, einem Zelt und Wasser auf eine Weide und bleibe dort so lange, bis ich eine Antwort auf meine Frage finde - eine Vision.

Samstag Abend geht es los. Das Zelt ist aufgebaut und ich begebe mich auf meinen Platz. Während meiner Suche werde ich nichts essen. Im schlimmsten Fall fünf Tage lang, denn das ist der maximale Zeitraum, den eine Vision Quest hat.

Die Tage während der Visionssuche sind ziemlich langweilig. Im Liegen an die Zeltdecke starren. Im Sitzen auf die Weide starren. An meinem Platz auf und ab gehen...

Währenddessen habe ich sehr viel Zeit zum Nachdenken

  • Wie stehe ich im Leben?
  • Passt mein Beruf zu mir oder muss ich etwas ändern?
  • Sollte ich meine Mutter einmal öfter besuchen?

Und es mehren sich Erkenntnisse zu meiner Frage: „Wie erlange ich soziale Grundsicherheit?“

Zunächst wird mir klar, dass ich nicht grundsätzlich sozial unsicher bin. Tatsächlich sind es nur relativ wenige Situationen. Vor allem Situationen, in denen ich gefühlt angreifbar bin. Für mich ist das schon einmal eine schöne Eingrenzung.

Theorien aus der Transaktionsanalyse verstehen

Dann erkenne ich, eine Sache, für die ich kurz ausholen muss.

In der Transaktionsanalyse gibt es das Konzept der Lebensgrundpositionen. Sie beschreiben, wie man sich selbst und andere betrachten kann:

  • ich bin ok, du bist ok (+/+)
  • ich bin ok, du bist nicht ok (+/-)
  • ich bin nicht ok, du bist ok (-/+)
  • ich bin nicht ok, du bist nicht ok (-/-)

Bisher hatte ich angenommen, dass ich in meinen sozial unsicheren Situationen -/+ bin. Aber das stimmt gar nicht. Ich selbst betrachte mich schon als ok, die anderen jedoch als oker.

Neben der Erkenntnis, dass beide Parteien ok sein können, jedoch die Balance nicht passt, komme ich auf die Idee, das Konzept noch weiter abzustufen. Die folgende Grafik zeigt ein „ich bin ok, du bist ok“, wo man die Okayheit auf einer Skale von 1-10 bestimmen kann. Gleiches gilt sinngemäß auch für den negativen Bereich, je nach Situation:

Um den theoretischen Ausflug einmal etwas deutlicher zu machen, stelle ich die Skalierung einmal für mich dar, wenn ich mit einem Team arbeite, welches mir gegenüber kritisch eingestellt ist. Ich selbst betrachte mich als ok bei einer 4 auf einer Skale von eins bis zehn, das Team sehe ich auf der Skale als neun von zehn.

Logisch, dass es an dieser Stelle dazu kommen kann, dass ich ins Hintertreffen gerate, obwohl ich mich selbst als Okay betrachte.

Eine solche Abstufung kann dabei helfen, Fortschritte im eigenen Selbst- und Menschenbild bemerkbar zu machen. Auf diese Weise können Menschen schauen, wie sie beispielsweise von der +4 auf eine +6 gelangen könnten. Das eröffnet neue Spielräume.

Meine Ursprungsfrage hieß ja: „Wie erlange ich soziale Grundsicherheit?“

Vision Quest - eine Antwort finden

Meine Antwort, die ich nach zwei Tagen und zwei Nächten fand, war: „Ich habe alles.“ Und ja, es stimmte, ich habe wirklich alles, mich sicher durch schwierige Situationen zu manövrieren. Selbst, wenn ich mich unsicher fühle.

Ich merkte, wie ich zu der neuen Erkenntnis kam, dass ich „Sicherheit“ als eine Art des Umgangs interpretierte. Sicher war ich, weil ich wusste, was ich in solchen Situationen zu tun habe. Was mir jedoch in solchen Situationen fehlte, war Gelassenheit.

Meine Frage veränderte sich also zu: „Wie erlange ich soziale Grundgelassenheit?“ Darauf war ich nicht vorbereitet. Die Zeit des Fastens und der Stimulationsarmut machte sich bemerkbar. Ich hatte einfach keine Lust mehr und wollte runter von der Weide. Doch Wolfgang, mein Vision Quest Begleiter, ließ sich nicht beirren und meinte: „Du schwurbelst!“

Also gut, dann ging es also weiter. In meiner vierten Nacht kam mir meine Vision. Eine Vision ist ein Gedanke, der auf den Punkt ist und sich unheimlich richtig anfühlt:

Fühlen.“

Wenn ich angespannt bin, muss ich mehr nachspüren, um gelassener zu werden. Das ist des Rätsels Lösung für mich.

Die Vision ist da - und nun?

Eine Vision zu haben, bedeutet nicht, dass sich alles in der Zeit des Alleinseins klärt. Eine Vision gibt einen Weg vor. Für mich bedeutet das, dass ich mir mehr Zeit zum Fühlen geben möchte. Das kann ich beispielsweise in Situationen machen, in denen es mich normalweise denkt. Wenn ich auf jemanden warte oder auf der Couch liege. Dann aktiv in meinem Körper zu spüren und nachzufühlen:

  • Was genau ist jetzt gerade da? 
  • Wo sitzt etwas im Körper und was macht es da genau?

Fühlen, das wurde mich klar, können wir nur in der Gegenwart. Die meisten unserer Gedanken sind Zukunfts-/Vergangenheits- oder Bewertungsbezogen. Die meisten Gedanken sind nutzlos, wenn ich stattdessen fühlen kann. Denn Gefühle, vor allem Unangenehme, haben die Eigenschaft sich zu integrieren/aufzulösen, wenn sie einmal durchfühlt worden sind.

Für mich geht es darum, das Fühlen wieder stärker in meinen Alltag zu bringen. Und genau das ist die Erkenntnis meiner Vision Quest.

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